Über die Malerin und Bildhauerin Birgit Sewekow

Christiane Pickartz (Textbeitrag aus dem Ausstellungskatalog: Birgit Sewekow. Vielfalt in Bild und Bronze, ...2016, S. 13 ff.)

 

 

Eigentlich müsste sie im Süden Europas leben, dort, wo das mediterrane Licht die weite Landschaft zum Erstrahlen bringt. Denn Birgit Sewekow liebt leuchtende Farben.

 

Vor allem gleißendes Gelb, warmes Orange-Rot, tiefgründiges Blau und vitales Grün sind feste Bestandteile ihrer Palette. Die Farben werden in den Bildern autonom eingesetzt und nicht in Anlehnung an die realen Vorgaben der Natur ausgewählt. Sie geben Stimmungen wieder, Stimmungen, welche die Malerin im Moment des Schaffens in sich trägt. Birgit Sewekow bringt mit schwungvollen Strichen die Töne auf die Leinwand und greift dabei immer wieder auf ein Grundrepertoire zurück, bei dem es sich im Wesentlichen auch um jene Farben und Kontraste handelt, die schon im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert bei den Wegbereitern der modernen Kunst geläufig waren – bei Künstlern wie Vincent van Gogh und Paul Gauguin, Emil Nolde, Max Pechstein und Ernst Ludwig Kirchner.

 

Vor allem diese Meister waren es, die mit ihren Bildern Birgit Sewekow auf ihren künstlerischen Weg brachten und bis heute begleiten. Eine große Leidenschaft der Künstlerin sind die regelmäßigen Besuche in Museen und Kunstausstellungen, die seit Jahrzehnten durch Studienreisen und Exkursionen ergänzt werden, auf denen Birgit an der Seite ihres Mannes Ulrich nahezu alle Hochkulturen dieser Welt kennengelernt hat. Sie selbst sagte in diesem Zusammenhang: „Das Wissen um die hohen Kulturen der Vergangenheit beglückt, ermutigt und inspiriert mich.“ Es sind die großen Epochen der europäischen Kunst- und Architekturgeschichte vom Mittelalter und der Renaissance, über den Barock bis in die Klassische Moderne, die Birgit Sewekow ebenso faszinieren, wie die antike Kunst im Mittelmeerraum und im Vorderen und Mittleren Orient. Auch die großen Kulturstätten in Asien wurden bei den Studienreisen besucht.

 

Von Petra in Jordanien bis Bagan in Burma, von Buchara in Usbekistan über Wat Arun in Bangkok bis Angkor in Kambodscha, von Aleppo in Syrien bis Copan in Honduras – Birgit Sewekow reiste zu diesen besonderen Zielen und hielt sie in der mittlerweile etwa 300 Gemälde und Zeichnungen umfassenden Serie der „Heiligen Orte“ fest. In einem Gespräch sagte die Künstlerin, dass diese heiligen Orte in der Regel an exponierten Stellen in bemerkenswerten Landschaften stehen. Diesen aufzuspüren und in ihren Bildern zu schildern, ist ein besonderes Verdienst dieser Malerin.

 

Wenn es Zeit und Umstände erlauben, greift Birgit Sewekow vor Ort zu Zeichenstift oder Pinsel, um das sinnliche Landschaftserlebnis direkt auf Papier oder Leinwand zu bannen. Stets hält sie ihre Eindrücke auch mit dem Fotoapparat fest und verwendet sie später im ruhigen, durchlichteten Atelier als Inspiration für ihre Gemälde. Wenn die Photographien spontan mit Ölfarben übermalt werden, dienen sie nicht selten selbst als Bildträger. Es ist der Reichtum der vom Menschen geschaffenen Kulturgüter und der Natur selbst, denen Birgit Sewekow voller Dankbarkeit mit ihren Werken den größten Respekt zollt.

 

Die Künstlerin lebt in Leverkusen unweit des ehemaligen Bayer-Konzerns, für den die promovierte Physikerin 32 Jahre tätig war. Die das Werksbild prägenden Industrieanlagen, aber auch die heimische Landschaft am Rhein ergänzen ihr motivisches Repertoire ebenso wie zahlreiche andere Städtebilder, Stillleben und nicht zuletzt eine Auswahl von Tierszenen. Schon als junges Mädchen wurde Birgit Sewekow in Elternhaus und Schule mit den Werken der Weltliteratur konfrontiert. Geweckt wurde die Liebe zur Literatur, die bis in die heutige Zeit geblieben ist. Vom Gilgamesch-Epos bis zur Bibel, von Homers Odyssee bis zu Goethes Faust und Cervantes Don Quichote – all diese Werke haben Birgit Sewekow zu bemerkenswerten Gemäldenzyklen inspiriert, bei denen der Fokus auf den Figuren der Protagonisten liegt. Neben den Helden aus der Dichtung hat die Malerin auch historische Persönlichkeiten, wie Alexander den Großen oder Martin Luther, studiert und zu deren Lebensumständen sowie Taten Bilderzyklen geschaffen, die einmal mehr das große historische Interesse der Künstlerin dokumentieren.

 

Seit dem Aufkommen der Kunstakademien in der italienischen Renaissance gehört die Aktmalerei zum festen Bestandteil einer fundierten künstlerischen Ausbildung. Birgit Sewekow, die seit Mitte der 1990er Jahre in allen Mal- und Zeichentechniken bei verschiedenen Lehrern unterrichtet wurde – zu nennen sind hier vor allem die Künstler Ellen Loh-Bachmann, Georg Gartz, Dr. Jörg Mangold, Petra Bammes, Friedrich Dickgießer und Prof. Markus Lüpertz – widmet sich seit 2003 der Aktmalerei. Bis heute besucht sie die von Arnim Tölke geleitete Aktmalklasse an der Düsseldorfer Kunstakademie als externe Malerin – ermöglicht durch die vertiefte künstlerische Beziehung, die anlässlich der wiederholten Besuche der von Prof. Lüpertz geleiteten Aktmalkurse in Bad Reichenhall entstanden ist.

 

In Öl und Acryl, Pastell und Rötel, Aquarell und Tusche werden in den Akt-Darstellungen Bewegung und Bewegtheit der Modelle erfassen. Charakteristisch für die Arbeiten sind die schnell und sicher gesetzten Striche ebenso wie der Einsatz der kräftigen, leuchtenden Farben, eben jener Farben, die auch in den expressiven Landschaften Verwendung finden. Wieder dient die Palette als Ausdrucksträger; denn das Ziel in der Aktmalerei ist nicht, ein bestimmtes Modell individuell wiederzugeben, sondern anhand der jeweils ausgewählten Pose eine Stimmung und ein Lebensgefühl zu präsentieren.

 

Den Schritt aus der Zwei- in die Dreidimensionalität ging Birgit Sewekow erstmals im Jahr 2007, als sie begann, Köpfe und Figuren aus Ton zu modellieren. Die Figuren, die überwiegend vor stehenden Aktmodellen geschaffen werden, können einzeln oder in Zweier- bzw. Dreiergruppen arrangiert sein. Oft sind es nur Torsi ohne Arme, Beine oder Köpfe, mit denen Birgit Sewekow die Bewegungsabläufe im Körper nachempfindet. Das Typische einer Pose ist ebenso erfasst wie der Moment, aus dem heraus der weitere Bewegungsvorgang erkennbar wird. Die Plastiken sollen, so Birgit Sewekow, in ihrer Gestik das Lebensgefühl ausdrücken sowie Anmut und Grazie beschreiben. In Bronze gegossen, sind in den vergangenen Jahren Skulpturen entstanden, die von 20 cm Höhe bis zu einem Meter und mehr messen. Die Bronze ist ein Material, das Bildhauer seit der Antike herausgefordert hat. Dieser historische Bezug ist Birgit Sewekow absolut bewusst, nicht zufällig tragen ihre Skulpturen Namen wie Aphrodite, Orpheus oder Daphnis und Chloe. Die Titel der Werke sind ein Rückgriff auf die antike Mythologie, doch die unruhige, aufgelöste Gestaltung der Oberflächen und die individuelle Patina entsprechen dem modernen Zeitgeist und dem Temperament dieser Künstlerin, die m ihrer eigenen Handschrift stets auf der Suche nach neuen Gestaltungsmöglichkeiten ist.

 

So gibt das vorliegende Buch nachfolgend einen Überblick über die große Bandbreite der Themen und Techniken der Künstlerin Birgit Sewekow, vom Gemälde in Öl, Acryl oder Mischtechnik bis zur Bronzeskulptur, vom Aquarell bis zur übermalten Photographie und Federzeichnung, vom Samt- und Glasbild, vom Farblinolschnitt bis zum Marmorbild. Aktuell umfasst das Gesamtwerk etwa 4.100 Arbeiten. Beim Rückblick auf das nun mehr als zwanzig Jahre umfassende künstlerische Schaffen ist vor allem bemerkenswert, mit welcher Neugier und Tatkraft Birgit Sewekow ihr Œuvre konsequent erweitert hat.